Rückblick

Ein Rückblick


 

Ein Rückblick? Im Ernst? Ich? Hahaha...

 

Nicht wirklich? Ich blicke nicht zurück im Sinne von rückwärts gucken. Oder schon gar rückwärts gewandt leben. Für mich ist Vergangenheit, wie das Wort ja schon sagt, vergangen. Geschichte. Nicht mehr zu ändern. Zu akzeptieren wie sie ist. Und damit zu leben. HEUTE zu leben.

Khalil Gibran, Maler, Dichter und Philosoph aus dem Libanon, schrieb:

Das Gestern ist nichts anderes als die Erinnerung von Heute und das Morgen der Traum von Heute.

Ist nicht die Zeit wie die Liebe, ungeteilt und ungezügelt?

Lasst das Heute die Vergangenheit mit Erinnerung umschlingen und die Zukunft mit Sehnsucht.

Was aber ja nicht heisst, nicht aus der Vergangenheit zu lernen. Es läuft nicht immer alles richtig. Man trifft Entscheidungen, die sich im Nachhinein als falsch herausstellen. Wobei falsch das falsche Wort ist. Es gibt kein richtig und falsch. Wer schreibt uns vor, was die richtigen Entscheidungen sind? Darüber hinaus leben die meisten von uns zum ersten Mal. Wie soll man da wissen, wie es funktioniert? Und hinterher ist man eh immer klüger. Da weiss man ja auch, zu was die gefällten Entscheidungen geführt haben. Tja, blöd nur, dass man das, im Moment des Entscheidens, eben meist nur so ungefähr - im besten Falle - weiss.

Albert Einstein sagte dazu:

Mehr als die Vergangenheit interessiert mich die Zukunft, denn in ihr gedenke ich zu leben.

 

Und Christian Morgenstern:

Wir brauchen nicht so fortzuleben, wie wir gestern gelebt haben. Machen wir uns von dieser Anschauung los und tausend Möglichkeiten laden uns zu neuen Leben ein.

Und dennoch halte ich es für sinnvoll, ab und an inne zu halten. Zu schauen was war. Wie es war. Warum es so war, wie es war. Und wann bietet es sich mehr an als zum Jahreswechsel??

Okay, der Jahreswechsel und in diesem Fall sogar der Jahrzehntwechsel liegen nun schon einige Tage zurück. Genau genommen sogar schon ein paar Wochen.

Aber wer will mir vorschreiben, wann ich hier meinen Jahresrückblick schreibe und veröffentliche??

Meine Ranch - meine Regeln :)

Und wenn ich den Jahresrückblick erst veröffentliche, wenn die Krokusse blühen? Oder wenn die Sommerferien vor der Tür stehen? Meine Sache. Und Eure Sache, ob Ihr es lest. Oder bleiben lässt. Also alles wie immer...

In den einschlägigen Medien wurde auch schon alles gesagt und alles geschrieben. Alles in 2019 durchgekaut, analysiert, erklärt, begründet und gedeutet. Für 2020 wurden neue Vorsätze gemacht, bereits wieder abgebrochen und zu altbekannten Fahrwassern zurückgekehrt.

 

 

Und doch kommt hier die Zusammenfassung meines 2019.

 

 

Das Jahr 2019 war für mich sehr herausfordernd. Es hat sehr viel von mir abverlangt. Physisch wie psychisch. Es war mit Abstand das körperlich anstrengendste, das ich bisher gelebt habe. Und auch mein Kopf hatte in diesem Jahr 2019 so viel wie nie vorher zu tun, zu denken, zu verarbeiten, zu entscheiden gehabt.

 

Vieles davon war hausgemacht. Letzten Endes ist doch fast alles hausgemacht. Ich/wir hatte/n es in der Hand. Ich/wir habe/n es so entschieden. 

Der Umbau der Essklasse war unsere Idee. Es war unser Wunsch. Dass uns diese Baumassnahme an den Rand der totalen körperlichen Erschöpfung geführt hat, können (und wollen) wir nicht auf andere schieben. Wer schon mal knapp 8 qm Wand mit Hämmerchen und Meissel von 7cm dickem Putz befreit hat, weiss wovon ich rede. Wer schon einmal 7 Tage annähernd nonstop auf Knien herumgerutscht ist, weil er 50qm Fussboden verlegt, willkommen im Club. Wer schon einmal die Hälfte eines Jahres auf einer Baustelle gelebt hat, ein grosser Teil davon ohne Küche, hat eine Ahnung wie es uns ging.

2019 war anstrengend. 2019 war fordernd.

Das wurde mir schon im Laufe des Jahres klar. Glaubte ich erst, man habe uns allen ein gebrauchtes Jahr als neu untergejubelt. Eines vom Grabbeltisch mit mehr als nur kleinen Fehlern. Ich war in dem Glauben, dass dieses Jahr 2019 schon einmal benutzt worden war und jemand der Meinung war, das könne man noch einmal nehmen. Second Hand sozusagen. Vielleicht dachte dieser jemand sogar, es sei upcycling, Greta sei Dank.

Bei all den Katastrophen auf der Welt haben wir unter Umständen auch nicht mehr unbegrenzt Zeit und müssen somit anfangen, die bereits gewesenen Jahren noch einmal nutzen?

 

In der Retroperspektive jedoch wurde mir bewusst, dass ich es mir selber zuzuschreiben hatte. Andere dafür verantwortlich zu machen, ist natürlich einfacher. Und wäre mir vermutlich auch lieber. Obwohl... 

2019 hat sehr viel Kraft gekostet. Mental wie körperlich.

Ich bin an einen Punkt angelangt, an dem mir klar wurde, ich muss etwas tun. Ich muss ETWAS tun. Ich muss etwas TUN. Ich MUSS etwas tun. ICH muss etwas tun. Weiter abwechselnd zu jammern, dann wieder abzuwiegeln und ab und an zu ignorieren, das muss ein Ende haben. Es hat ein Ende. Ich bin dran, wenn auch kleinschrittig. Im wahrsten Sinne des Wortes. Aber auf dem Weg.

Das Leben ist endlich. Ebenso die Kraft. Manchmal auch das körperliche schon lange bevor das Leben zu Ende ist. Und manchmal ist es auch der Kopf, der sich schon zu Lebzeiten verabschiedet. Das musste ich erleben und stecke noch mittendrin. 

Für die Menschen drumherum ist das schwer zu ertragen. Umso schwieriger ist es, wenn keine Vorsorge getroffen wurde. Wenn nichts geklärt wurde, nichts besprochen, nichts festgelegt.

 

Es kommt einem vor wie dickster Nebel. Dicke fette Suppe. 

 

Deshalb war das der Anlass weiter in das Thema eigene Endlichkeit einzutauchen und Klarheit zu schaffen. Klarheit für jeden Einzelnen. Für mich. Für uns. Für alle, die betroffen sind. Dinge beim Namen zu nennen, auszusprechen, anzugehen.

 

Auch da sind wir noch mittendrin.  Das lässt sich nicht schnell schnell abhandeln. Es nimmt nicht den grossen Raum ein und doch immer mal wieder. Auch hier gilt kleinschrittig geht es voran.

Ich habe mich verabschiedet. Schon vor langer Zeit. Dachte ich. Mir wurde 2019 bewusst, dass ich den letzten entscheidenden Schritte noch nicht getan hatte. tatsächlich loszulassen. So tat ich es nun. Erst ungewollt. Zu sehen und vor allem zu spüren, dass man nicht die gleichen Absichten hat, hat mich anfänglich sehr verunsichert. Hat mich an meiner Wahrnehmung zweifeln lassen. Man muss nicht immer einer Meinung sein und nicht die gleichen Ansichten haben. Es soll beiden Seiten gut tun. Man soll sich einander wichtig sein. Trotz oder gerade in dieser verrückten, vollen, stürmischen Welt. Es galt herauszufinden, ob das Gefühl der Realität entspricht oder ob da Signale gesendet werden, die ich missverstand. Ich hatte mir so sehr gewünscht, mich zu irren. Es steht mir nicht zu, Menschen zu ändern, aber es steht mir zu, zu ändern, was um mich herum ist. Menschen gehen zu lassen, ist weder eine Schwäche, noch ein Makel. Und Menschen gehen zu lassen, die nicht wirklich bei Dir sind, ist unerlässlich. Dieser Verlust tut dennoch weh. Und er wird sicher noch eine Weile schmerzen. Es ging mir sehr sehr nahe und zerrte immens an mir. Das tut es noch, aber es wird besser. Jeden Tag. Auch hier kleinschrittig. Aber es wird besser, tatsächlich.

ich war 2019 in einer Blase des, ja was eigentlich? Kein Hadern mit den Dingen, keine Zweifel an sich, mehr ein sich fragen, ein hinterfragen. Manchmal auch ein "den Hintern nicht hochbekommen", ich gebe es zu. Den Kopf voller Ideen, viel zu voll mit Plänen und Visionen, sodass der Körper immer träger wird, bis zur Starre. Mein Perfektionismus hat mir mehr als einmal im Wege gestanden. Und meinen - zugegebenermassen - oft dahergesagter Spruch "man muss nicht immer großartig sein", habe ich mir daraufhin einfach mal auf der Zunge zergehen lassen und ab sofort zu meinem Motto erklärt. Es gelingt mir nicht immer, aber ... Ihr ahnt es schon ... kleinschrittig.

2019 war in meiner Wahrnehmung ein "Ja, aber - Jahr"

Ich bin ja kein Nazi, aber diese vielen Ausländer ...   Ich bin ja auch für den Umweltschutz, aber diese Kreuzfahrt ist einfach so toll ...   Ich möchte ja auch nicht, dass Tiere so leiden, aber das Fleisch im Supermarkt ist einfach unschlagbar günstig ...   Ich bin ja auch für Gleichberechtigung, aber müssen alle Frauen unbedingt Karriere machen ...   Ich bin ja auch der Meinung, dass wir dringend mehr Handwerker brauchen, aber mein Kind soll Abitur machen ...

 

Warum brauchen so viele diese Ausreden? Dieses Ja, aber ... ? Warum fällt es immer schwerer einen Standpunkt zu finden? Seinen Standpunkt zu finden? Und diesen zu vertreten? Nicht jedem Trend hinterher zu hecheln. Individualität als Mainstream. So einzigartig, um bloss nicht aufzufallen.

Ich hatte den Blogger Blues. Zum Einen, weil ich aufgrund der vielen Baustellen in vielerlei Hinsicht nicht mehr die Muse hatte, in irgendeiner Weise kreativ zu sein. Zum Anderen, weil ich mich fragte, warum ich das eigentlich tue. Für wen ich das mache.

 

Die Antwort ist FÜR MICH.

 

Ich kann mich nicht davon frei machen, dass ich mich darüber freue, wenn diese Zeilen hier gelesen werden. Dass ich mich geschmeichelt fühle, wenn jemandem das gefällt, was er/sie hier liest. Und ich Gefallen daran finde, wenn Kommentare hier hinterlassen werden. Daumen und Herzchen auf den verschiedenen Kanälen verteilt werden.

Und dennoch mache ich das hier in erster Linie für mich. Ich kann hier sein, wie ich bin und ich kann hier tun, was mich interessiert. Ich kann mitteilen, was mir wichtig erscheint und ich kann meine Energie und Kreativität hier ausleben. Und wenn es irgendwen da draussen in den unendlichen Weiten des Internetzes gibt, der das genauso Spannend, interessant, inspirierend, wichtig, witzig und teilenswert findet - Yeah! Umso besser. 

Für 2020 möchte ich mir bei all dem eigenen mimimi, den Schreckensmeldungen in den Nachrichten, dem Horror um uns herum und der Weltuntergangsstimmung, von der Weltlage und dem Weltschmerz, den Spass am Leben nicht nehmen lassen. Ich werde mich nicht herunterziehen lassen von der Dramatik und der bisweilen bitteren Komik der Perspektiven.  

Mehr denn je ist wichtig nicht zu vergessen ...

Das Leben ist wunderbar! Immer!

für alle Fälle hier der Hinweis: dieser Beitrag enthält Werbung. Ganz besonders Werbung fürs Leben.